Er war Deutscher, Wissenschaftler, SS-Mitglied und dann Amerikaner: Seine ambivalenten Identitäten machten den einstigen technischen Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, Wernher von Braun, zu einer umstrittenen Persönlichkeit. Nach seiner Festnahme und Verhören durch die US Army nach Kriegsende übersiedelte von Braun mit Teilen seines Peenemünder Stabs nach Fort Bliss in Texas. Fortan trug er viel zur Entwicklung von Raketenwaffen und später auch dem Raumfahrtprogramm der USA bei. Im Oktober 1959 wechselte er zur NASA und wurde leitender Entwickler des Saturn-Raketenprogramms. Durch diese technische Leistung bleibt sein Name untrennbar mit der Mondlandung verbunden. Bereits in den 1950er Jahren hatte er in den USA öffentliche Prominenz erreicht und eine Fernsehserie Walt Disneys über die Eroberung des Weltalls präsentiert. Sein Gesicht zierte 1958 auch eine Titelseite des Time Magazine.
Trotz aller Erfolge und allen Ruhms ließ die Vergangenheit Wernher von Braun nie los. Es wurde aufgedeckt, dass er 1937 der NSDAP und 1940 der SS beigetreten war. Dass er dem NS-Regime eine Waffe geliefert hatte, die den Tod zahlreicher Zivilisten forderte, war ohnehin bekannt. Schwerer wog allerdings seine Verstrickung in die KZ-Zwangsarbeit in der Raketenfertigung, die er Zeit seines Lebens abgestritten hatte. Briefe belegten, dass er persönlich Häftlinge für die „V2“-Produktion im Mittelwerk ausgewählt hatte. Auch überlebende Häftlinge sagten aus, dass er persönlich in der unterirdischen Fabrik des Kohnsteins gewesen sei und anteillos das Leid und den Tod der Zwangsarbeiter zur Kenntnis genommen hatte. Wernher von Braun und sein Schaffen illustrieren bis heute den rasanten technischen Fortschritt im 20. Jahrhundert und sind gleichzeitig Sinnbild der moralischen Ambivalenz von Wissenschaft und Innovation.