03.12.2021

03.12.2021

Multiperspektivität, Handlungsorientierung, Deutungsoffenheit und Kreativität in der Vermittlung von Diktatur- und Kriegsgeschichten

Fortbildung für Museums-/Gedenkstätten-Pädagoginnen im Historisch-Technischen Museum Peenemünde am 3. Dezember 2021

Anmeldung bis 26.11.2021 an htm@peenemuende.de

Gedenkstätten, Dokumentationszentren und Geschichtsmuseen vermitteln an authentischen Orten historische Bildung über das NS- und SED-Regime und halten das Gedenken an das Unrecht und die Opfer dieser Diktaturen aufrecht. Durch das Herausarbeiten des Entstehens, Funktionierens und Wirkens von diktatorischen, militaristischen und rassistischen Gesellschaftsstrukturen sensibilisieren sie für die Werte einer offenen Gesellschaft, der Demokratie und der Menschenrechte, weisen aber auch auf deren Bedrohungen hin.

Eine zentrale Methode der Vermittlung ist es, die Geschichte durch zeitgenössische Berichte und individuelle Erinnerungen zu konkretisieren. Je weiter die Geschichte zurückreicht, desto abstrakter wirken jedoch auch Zeitzeugen, insbesondere wenn sie nicht mehr direkt, sondern oft nur noch medial berichten. Gerade jüngere Generationen und migrantisch geprägte Bevölkerungsgruppen haben keinen persönlichen Kontakt zum Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg und immer weniger zur DDR. Die Geschichte wird generell abstrakt.

Die zeitliche und inhaltliche Distanz zur Geschichte können Lernangebote überbrücken, wenn die Teilnehmerinnen solcher Formate ihre persönlichen Bezüge zur Geschichte aktiv reflektieren und diese kreativ herausarbeiten. Eine solche eher künstlerische als historiographische Form der Vermittlung hat zwei Dimensionen. Zum einen können die Teilnehmer bestehende Kunstwerke analysieren, die Diktaturen reflektieren. Zum anderen können sie einen eigenen ästhetischen, assoziativen, spekulativen oder emotionalen Ausdruck für ihre Gedanken finden. Durch den künstlerisch-kreativen Zugang kann eine intensivere Lernerfahrung entstehen. Zudem fungiert Kunst als Instrument, das gewohnte Sehen und Verstehen experimentell infrage zu stellen. Eine stringente, vorhersehbare Rezeption der Geschichte wird gebrochen, die Teilnehmer werden geistig ins Stolpern und dadurch zum Nachdenken gebracht.

Die Fortbildung will die Möglichkeiten und Grenzen multiperspektivischer, handlungsorientierter, deutungsoffener und kreativer Ansätze in der Vermittlung von Diktatur- und Kriegsgeschichten ausloten. Zunächst wird ein akademisch-theoretischer Input erfolgen, dann werden praktische Beispiele vorgestellt, und zuletzt sollen die Mitarbeiterinnen aus den Erinnerungseinrichtungen in einem moderierten Austausch über eigene Ideen, Pläne und mögliche Hindernisse reflektieren.

Programm:

10.30 – 10.45
Dr. Philipp Aumann (HTM Peenemünde):
Begrüßung

10.45 – 11.30
Prof. Dr. Oliver Plessow (Uni Rostock):
Chancen und Herausforderungen kreativ-handlungsorientierter Lernansätze in der Gedenkstättenarbeit

11.30 – 12.30
Dr. Constanze Jaiser (RAA Neubrandenburg):
Kunst als Werkzeug für eine Pädagogik „nach Auschwitz“

Künstlerische Zugänge zur Geschichte bergen ein vielfältiges Potential, um im Sinne einer (selbst-)kritischen Pädagogik „nach Auschwitz“ zu wirken. Gleichwohl sind aufgrund der Offenheit und Selbstwirksamkeit künstlerischer Prozesse genau hier auch Fallstricke. Dabei gilt es,
geschichtsdidaktische, gedenkstättenpädagogische und künstlerische Lernwege im Vorfeld und in der Prozessbegleitung zu reflektieren: Worin bestehen die Besonderheiten und Notwendigkeiten der gewählten pädagogischen Formate und Methoden? Woran können wir ein gelungenes Projekt messen? Wie vermeiden wir Klischees und Kitsch? Wie stiften wir, gerade auch mit künstlerischen Mitteln, Verstehenszusammenhänge? Mit praktischen Beispielen soll diesen Fragen nachgegangen werden.

12.30 – 13.15
Mittagspause

13.15 – 14.15
Franz Wanner (München):
„Mind the Memory Gap“.

In Ottobrunn im Süden Münchens wird auf dem Gelände einer ehemaligen NS-Luftfahrtforschungsanstalt bis in die Gegenwart militärisch geforscht und produziert. Die Überreste eines Zwangsarbeitslagers, das für den Bau der Anlagen eingerichtet wurde, werden dagegen unter behördlicher Beteiligung entsorgt. Anhand seiner Arbeiten „From Camp to Campus“ (2019), die den Ludwig-Bölkow-Komplex untersucht, und „Mind the Memory Gap“ (2022) über den künftigen Erinnerungsort des NS-Dokumentationszentrums München in Neuaubing spricht Franz Wanner über zeitgenössische Kulturen des Bereinigens, Verdrängens und Vergegenwärtigens.

14.15 – 15.15
Renate Schürmeyer (Jeese):
Lieber vergessen. Vorstellung einiger künstlerischer Rechercheprojekte
zur jüngeren deutschen Geschichte und Schülerprojekte des Gymnasiums Gadebusch

15.15 – 15.30
Kaffeepause

15.30 – 16.30
Dr. Martin Buchsteiner (Uni Greifswald):
Handlungsorientierung und historisches Lernen

Handlungsorientierung fasst unterschiedliche Formen des Bearbeitens und Berührens zusammen und eröffnet damit weitere Zugänge in der Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Geschichte. Anhand konkreter Beispiele wird das Potential handlungsorientierter Verfahren für historisches Lernen und ihre Übertragung auf Lehr-Lern-Settings im Rahmen von Gedenkstättenarbeit diskutiert.