Grundriss einer Beispielwohnung in der Siedlung Karlshagen, um 1938. Grafik: Manfred Kanetzki (HTM Peenemünde, Archiv)

Um für die Mitarbeiter der Versuchsanstalten und deren Familien Wohnungen zu schaffen, wurde 1937 mit dem Bau einer Werksiedlung begonnen. Sie war nach dem Prinzip einer „Reichsmustersiedlung“ entworfen, in der Angehörigen der sogenannten ‚Volksgemeinschaft‘ ein gutes Leben im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie möglich war. Daher wohnten Angehörige unterschiedlicher sozialer Schichten nachbarschaftlich nebeneinander.

Der Bau war in mehrere Abschnitte unterteilt, so dass bis 1939 bereits 400 Wohnungen fertiggestellt worden waren. Bis 1943 gab es vier weitere Bauabschnitte, welche die Siedlung systematisch erweiterten. Mit dem Beginn des zweiten Bauabschnitts wurde auch ein Kaufhaus gebaut, in dem nicht nur Lebensmittel und Haushaltsgegenstände, sondern auch Literatur zu erwerben war. Des Weiteren gab es eine Autovermietung, einen Tischler und einen Friseur. Für die Schulbildung kleinerer Kinder sorgte eine Grundschule. Jugendliche hingegen mussten nach Zinnowitz fahren, um eine weiterführende Schule zu besuchen. Für die Beförderung wurde ab 1937 ein Busnetz und ab 1941 eine elektrifizierte Personenbahn eingesetzt. Die Zugverbindung zwischen Zinnowitz und Peenemünde war für die täglich 6.000 Pendler kostenlos.

Beispielbilder für die gebauten Reihenhäuser in der Hindeburgstraße, 1937-1943. (HTM Peenemünde, Archiv)

Das kulturelle Angebot in Karlshagen und Zinnowitz war jedoch gering. So musste man für Theater- oder Konzertbesuche die Stadt Greifswald aufsuchen. Kleinere Kinovorstellungen oder andere Veranstaltungen fanden in den umliegenden Kantinen oder dem Gemeinschaftshaus des Lagers Versuchskommando Nord statt.

Milchgeschäft Waldow im Kaufhaus, Aufnahme um1940, Foto: Hermann Hesse (HTM Peenemünde, Archiv)
Plan der voll ausgebauten Wohnsiedlung Karlshagen 1943. (HTM Peenemünde, Archiv)
In der Siedlung waren die Versorgungsprobleme während des Krieges lange nicht zu spüren, da es bis kurz vor Kriegsende kaum Mangel an Gütern gab. Die Siedlung stand damit in einem krassen Gegensatz zu den Barackenlagern für die Zwangsarbeiter, deren Insassen kaum Bewegungsfreiraum hatten und innerhalb ihres mit Stacheldraht und Zäunen abgegrenzten Areal bleiben mussten.